Die Gründung der Lebensversicherung

Die Öffentliche Lebensversicherung Braunschweig feiert in diesem Jahr ihr 100-jähriges Jubiläum. Zu diesem runden Geburtstag schauen wir zurück auf 100 Jahre Leben in Braunschweig und Region. Bei unserer Zeitreise beschäftigt uns vor allem die Frage, wie sich die Lebenssituation der Braunschweigerinnen und Braunschweiger im Verlauf der Zeit verändert hat.
Heute nehmen wir Sie mit auf eine historische Spurensuche zu den Anfängen der Lebensversicherungen. Dabei verraten wir auch, weshalb unsere 1924 gegründete Lebensversicherungsanstalt eher spät, aber dennoch genau zum richtigen Zeitpunkt gegründet wurde.

Erste Ansätze in der römischen Kaiserzeit

Bereits in der Antike war es den Menschen ein Bedürfnis, ihren Nächsten im Falle eines Verlustes zu helfen. Die Idee, Vorsorge für einen möglicherweise eintretenden Schaden zu treffen, reicht demzufolge weit zurück. Allerdings kann von einer Versicherung nach heutigem Verständnis erst mit Aufkommen der Geldwirtschaft gesprochen werden. Immerhin setzte eine Versicherung die Zahlung eines bestimmten Betrages im Fall eines Schadensfalls voraus.
Erste Bestrebungen, durch versicherungsähnliche Einrichtungen die Vorsorge für die Hinterbliebenen zu regeln, gab es schon zur römischen Kaiserzeit und in den Handwerkergilden und Zünften des Mittelalters. Diese frühen Vorsorgeeinrichtungen konnten aber noch nicht auf Statistiken zurückgreifen, die eine genaue Einschätzung der erwartbaren Lebensdauer ermöglicht hätten. Erst im 17. und 18. Jahrhundert schufen europäische Wissenschaftler mit ihrer Sterblichkeitsforschung und Rentenberechnung das mathematisch-statistische Fundament, auf dem eine moderne Lebensversicherung entstehen konnte.

Die moderne Lebensversicherung entsteht in England

Die ersten modernen Lebensversicherungsunternehmen wurden zu Beginn des 18. Jahrhunderts in England gegründet. Englische Versicherer brachten das Geschäft über Hamburger Handelsbeziehungen nach Deutschland, wo in den folgenden Jahrzehnten erste Filialen entstanden. Für die Versicherten blieb das Geschäft mit den englischen Versicherern jedoch ein Wagnis, das im Streitfall vor englischen Gerichten ausgetragen werden musste. Auch in Deutschland entstand das Bedürfnis für solche Versicherungsunternehmen.

Deutsche Lebensversicherer übernehmen das Geschäftsmodell

Die ersten deutschen Lebensversicherungsbanken wurden um 1830 von privaten Unternehmern in den Städten Lübeck, Gotha, Leipzig, Hannover und Berlin gegründet. Da die privaten Lebensversicherungen ihre Versicherungen nicht flächendeckend, sondern nur in dicht besiedelten Regionen anboten und obendrein hohe Prämien forderten, waren sie nicht für jeden erschwinglich. Aus diesem Grund wurden zwischen 1910 und 1924 zunächst in Preußen, dann auch in anderen Teilen des Landes öffentlich-rechtliche Lebensversicherungen gegründet.
Auch innerhalb der Braunschweigischen Staatsregierung wurde bereits vor dem Ersten Weltkrieg die Gründung einer öffentlich-rechtlichen Lebensversicherung diskutiert. Im Mittelpunkt des Interesses stand die Erweiterung des Produktspektrums der 1754 gegründeten Braunschweiger Brandkasse um die Bereiche Mobiliar-, Unfall-, Haftpflicht- und Lebensversicherung.

Die Braunschweigische öffentliche Lebensversicherungsanstalt

Trotz eines über Jahre andauernden Austauschs sollten noch mehr als zehn Jahre bis zur tatsächlichen Gründung einer öffentlich-rechtlichen Lebensversicherung für Braunschweig vergehen. Im Oktober 1922 wurde auf Veranlassung des Direktoriums der Braunschweigischen Staatsbank mit den Vorarbeiten für die Einführung der Mobiliarfeuerversicherung, der Lebensversicherung und anderer Nebenzweige begonnen. Am 8. Oktober 1924 war es schließlich so weit und die „Braunschweigische öffentliche Lebensversicherungsanstalt“ wurde als jüngste öffentlich-rechtliche Lebensversicherung gegründet. Zum 1. Dezember nahm die Anstalt mit fünf Mitarbeitern in den Räumlichkeiten der Braunschweigischen Staatsbank den Betrieb auf. Betätigungsgebiet war der Freistaat Braunschweig mit damals etwas mehr als 500.000 Einwohnerinnen und Einwohnern.

Wunsch nach Stabilität

Erst ein Jahr zuvor hatte Braunschweig die Hyperinflation überwunden. Die Menschen hatten im Zuge der Geldentwertung ihre sämtlichen Ersparnisse verloren. Doch die daraus resultierende Skepsis wurde bald durch den Gedanken der Vorsorge für die Hinterbliebenen abgelöst. Durch die Erlebnisse des Ersten Weltkrieges war der Versorgungsgedanke stärker in den Vordergrund gerückt. Zudem suchte die Bevölkerung nach Möglichkeiten der sicheren Geldanlage, weil alle bisherigen Rücklagen durch die Inflation fast vollständig vernichtet worden waren. Somit war der Zeitpunkt für die Neugründung einer öffentlichen Lebensversicherung im Jahr 1924, unmittelbar nach der Einführung einer stabilen neuen Währung, gut gewählt.

Konkurrenz belebt das Geschäft

Die privaten Versicherer erblickten in den öffentlich-rechtlichen Lebensversicherungen eine Konkurrenz, die sie am liebsten verhindert hätten. Immerhin standen die öffentlichen Lebensversicherer unter staatlicher Aufsicht, verzichteten auf die Erzielung von Gewinnen und achteten darauf, dass der Nutzen bei den Versicherungsnehmern lag. Zudem sorgten sie dafür, dass die Mittel zurück in die Region flossen. Daher beäugte die Braunschweigische Lebensversicherung AG die Gründung des öffentlich-rechtlichen Konkurrenten kritisch und klagte sogar erfolgreich auf Namensänderung aufgrund einer als geschäftsschädigend wahrgenommenen Namensähnlichkeit. Die Öffentliche änderte daraufhin fünf Jahre nach ihrer Gründung den Namen in „Öffentliche Lebens-, Unfall- und Haftpflichtversicherungsanstalt Braunschweig“.